Immobilienbewertung durch das Sachwertverfahren
Wenn man eine Immobilie besitzt, ist es in manchen Fällen von Nöten zu wissen, wie viel die Immobilie aktuell, materialtechnisch wert ist. Man will sie gar nicht verkaufen, oder ähnliches, man möchte lediglich wissen, welche Kosten die Errichtung der Liegenschaft zum aktuellen Zeitpunkt bedeuten würde. Für diesen Zweck wurde das Sachwertverfahren zur Immobilienbewertung entwickelt.
Auszug aus dem Liegenschaftsbewertungsgesetz1
§ 6. (1) Im Sachwertverfahren ist der Wert der Sache durch Zusammenzählung des Bodenwertes, des Bauwertes und des Wertes sonstiger Bestandteile […] der Sache zu ermitteln (Sachwert).
Im Liegenschaftsbewertungsgesetz ist demnach auch lediglich vom Bauwert die Rede. Es werden Baukosten angenommen und errechnet, wie viel diese, unter Berücksichtigung des Alters der Immobilie, heute wert sein würden. Folgender Artikel behandelt im Detail, wie dies von statten geht, in welchen Fällen das Sachwertverfahren angewandt wird und mit welchen Vor- und Nachteilen zu rechnen ist.
Wann und wofür wird das Sachwertverfahren angewandt?
Das Sachwertverfahren eignet sich vor allem für die Immobilienbewertung von Liegenschaften, die für die eigene Nutzung bestimmt sind und nicht auf eine mögliche Rendite, etwa durch Mieteinnahmen, ausgelegt ist. Das ist oft bei Ein- oder Zweifamilienhäusern der Fall sowie bei öffentlichen und gemeinnützigen Immobilien, oder sonstigen baulichen Anlagen, wie Gartenanlagen, Garagen, Bootshäusern oder Ähnlichem.
Der Sachwert wird tragend, wenn es um die Versicherung der Liegenschaft, oder um die Besteuerung geht. In einer Kauf- oder Verkaufssituation ist der Sachwert kein sehr zweckdienlicher Betrag, da das aktuelle Angebot-Nachfrage-Verhältnis und der Immobilienmarkt außen vor gelassen werden. Im Prinzip sagt der Sachwert lediglich aus, wie viel der Bau dieser Liegenschaft aktuell kosten würde.
Außerdem wird dieses Verfahren sozusagen als Notlösung benötigt, wenn es zu wenige Vergleichswerte für ein Vergleichswertverfahren gibt. In solchen Fällen sind keine vergleichbaren Objekte in der Umgebung zu einem aktuellen Datum, zu vergleichbaren Konditionen veräußert worden, wie auch keine ortsüblichen Mietpreise oder ähnliche Parameter erkennbar sind.
Wie wird der Sachwert bei der Immobilienbewertung errechnet?
Der Gesamtsachwert der Liegenschaft setzt sich aus dem Bodenrichtwert (der zumeist wiederum durch das Vergleichswertverfahren ermittelt wird) und dem Gebäudewert (bzw. dem Bauwert) zusammen.
Auszug aus dem Liegenschaftsbewertungsgesetz1
§ 6. (2) Der Bodenwert ist in der Regel als Vergleichswert durch Heranziehung von Kaufpreisen vergleichbarer unbebauter und unbestockter Liegenschaften zu ermitteln. […]
(3) Der Bauwert ist die Summe der Werte der baulichen Anlagen. Bei seiner Ermittlung ist in der Regel vom Herstellungswert auszugehen und von diesem die technische und wirtschaftliche Wertminderung abzuziehen.
Der Verkehrswert wird durch das Sachwertverfahren von einer technischen Perspektive aus betrachtet. Es werden bauliche Maßnahmen und Materialien und deren Preise als wertbestimmend angenommen. Dazu werden alle baulichen Anlagen genau dokumentiert und mithilfe von Herstellungswerten umgerechnet. Anschließend werden Baumängel, Alter und sonstige wertmindernde Umstände abgezogen.
Wie bereits erwähnt, werden auch hier das Gebäude und das Grundstück separat behandelt. Beim Grundstück wird übrigens immer das baureife Grundstück angenommen, das schon vollständig erschlossen wurde. Beim Sachwert wird nun im Grunde ermittelt, was es kosten würde, das Haus in diesem Zustand, mit bzw. auf diesem Grundstück, zu reproduzieren.
Die Herstellungskosten sind aus speziellen Preistabellen abzulesen, deren Daten nach Gebäudearten, Ausstattungsklassen, etc. genau gestaffelt sind. Das Alter und eventuelle Mängel und Renovierungskosten werden aliquot vom Herstellungspreis abgezogen und bereits durchgeführte Sanierung und Renovierung mithilfe eines Punktesystems angerechnet. So werden die ursprünglichen Bau- und Baunebenkosten an den aktuellen Zustand der Immobilie rechnerisch angepasst.
Welche Vor- oder Nachteile hat das Sachwertverfahren?
Der Wert, der beim Sachwertverfahren ermittelt wird, ist vielleicht zuverlässig, aber nur was den aktuellen Wert der Sache an sich betrifft und nicht, was man dafür zahlen müsste bzw. würde, wenn man die Liegenschaft kaufen wollen würde. Das Sachwertverfahren alleine, eignet sich somit nicht für Kauf- oder Verkaufsabsichten, auch weil eben die Situation des Immobilienmarktes nicht berücksichtig wird.
Genau an diesem Punkt muss vom Sachverständigen eine Anpassung an den Verkehrswert vorgenommen werden um den tatsächlich am Immobilienmarkt erzielbaren Verkehrswert der Immobilie zu erhalten. Dies kann im Rahmen eine Zu- oder Abschlages erfolgen und ist regional stark von der Nachfrage und dem Angebot abhängig.
Der Sachwert ist ein sozusagen statischer Preis, der nicht den Schwankungen und Launen des Marktes unterliegt und weniger eine „Momentaufnahme“ darstellt. Das kann wiederum von Vorteil sein, besonders wenn es um die Vorlage des Gutachtens bei Versicherungen oder bei der Versteuerung geht.
Zur Bewertung einer Immobilie durch das Sachwertverfahren wird allenfalls ein kompetenter Gutachter benötigt, der den baulichen Zustand, alle Mängel und Renovierungsbedarfe und technischen Ausstattungsdetails kennt, erkennen kann und sachgemäß dokumentieren kann. So komplex und rechnerisch schwierig dieses Verfahren ist, so sauber und objektiv ist es aber auch. Es steht nicht in Verbindung zu einer subjektiven, von verschiedensten Faktoren beeinflussten Sicht auf Immobilien.
Andererseits wird beim Sachwertverfahren kein Unterschied zwischen Wert und Kosten hergestellt, der aber doch gegeben ist. Bauliche Ausstattungen, die baulich zwar vielleicht einwandfrei sind, aber vielleicht nicht den besten Wohnkomfort bieten, würden den Wert drücken, nicht aber die Kosten. Diese Diskrepanz wird durch das Sachwertverfahren nicht erfasst.
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