Immobilienbewertung durch das Ertragswertverfahren
Immobilien sind nicht nur dazu da, um sie zu bewohnen, sie beherbergen auch Unternehmen, oder werden als Kapitalanlage, oder Mietobjekt sozusagen bewirtschaftet. Dem Ertrag entsprechend, der mit Hilfe der Liegenschaft erzielt werden kann, ändert sich auch deren Verkehrswert. Dieser wird demgemäß Ertragswert genannt. In der Immobilienbewertung muss er durch ein spezielles Verfahren – dem Ertragswertverfahren ermittelt werden.
Auszug aus dem Liegenschaftsbewertungsgesetz1
§ 5. (1) Im Ertragswertverfahren ist der Wert der Sache durch Kapitalisierung des […] zu erwartenden oder erzielten Reinertrags zum angemessenen Zinssatz und entsprechend der zu erwartenden Nutzungsdauer der Sache zu ermitteln (Ertragswert).
Das klingt bereits recht komplex und ist es auch, da hier spezielle Parameter und Daten zur Berechnung zu Rate gezogen werden müssen. Wie dieses Verfahren nun im Groben funktioniert, wann und wo es verwendet werden kann, und welche Vor- und Nachteile es birgt, gibt es hier im Folgenden nachzulesen.
Wann kommt das Ertragswertverfahren zur Anwendung?
Das Ertragswertverfahren kommt dann zum Einsatz, wenn die zu bewertende Immobilie potentiell Ertrag abwirft – wie der Name bereits vermuten lässt. Das ist bei sogenannten Renditehäusern bzw. -objekten der Fall, also beispielsweise bei Mehrfamilienhäusern oder Mietwohnanlagen, die als Mietobjekte unterhalten werden, oder bei Immobilien, die zur gewerblichen Nutzung geeignet bzw. dafür ausgelegt sind. Sie sind (im Falle von Mietobjekten) fremdgenutzt und der Mietertrag steht im Fokus. Solche renditeorientierten Liegenschaften werden als Kapitalanlage gesehen.
Der aus diesem Verfahren hervorgegangene Ertragswert eignet sich zur Vorlage bei Finanzierungsinstituten, oder im Falle von Schenkung oder Erbschaft, um die damit verbundene Steuer angemessen abführen zu können. Für potentielle Käufer von Mietobjekten und künftige Vermieter ist der Ertragswert interessanter, als etwa der Sachwert, gibt er doch Auskunft darüber, wie viel Mietertrag sich mit der Immobilie erzielen lässt.
Wie funktioniert dieses Verfahren zur Immobilienbewertung?
Um den Ertragswert einer Liegenschaft zu ermitteln werden zu allererst die Werte von Grundstück und baulichen Anlagen getrennt errechnet. Dem liegt unter anderem zu Grunde, dass der Bodenwert nicht durch Abnutzung über die Zeit hinweg weniger wert wird. Es wird dann der Bodenwert, meist mithilfe des Vergleichswertverfahrens ermittelt.
Für den Gebäudeertragswert muss zunächst ein Rohertragswert ermittelt werden. Dieser kann aus bisherigen Aufzeichnungen des Betriebes entnommen werden, sofern solche vorhanden sind. Ist das nicht der Fall, muss ein Schätzwert aufgestellt werden. Selbiges gilt für Liegenschaften, die Mieterträge abwerfen, wobei hier der ortsübliche Mietpreis und somit der erzielbare Ertrag leichter ermittelbar ist.
Auszug aus dem Liegenschaftsbewertungsgesetz1
§ 5. (3) Sind die tatsächlich erzielten Erträge in Ermangelung von Aufzeichnungen nicht erfaßbar (sic!) […], so ist von jenen Erträgen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der Sache nachhaltig hätten erzielt werden können, […] auszugehen; dafür können insbesondere Erträge vergleichbarer Sachen oder allgemein anerkannte statistische Daten herangezogen werden.
Von diesem Rohertragswert werden dann die Kosten abgezogen. Das betrifft den Aufwand für Verwaltung, Bewirtschaftung, Instandhaltung, etc. des Gebäudes sowie Betriebskosten. Der Betrag, den man nun erhält, nennt sich Reinertrag. Anschließend werden Verzinsung des Bodenwerts und die Abschreibung abgezogen und das Ergebnis, mithilfe eines Vervielfältigungsfaktors, auf die Restnutzungsdauer, unter Berücksichtigung der Kapitalverzinsung, aufgerechnet.
Der im Vergleichswertverfahren ermittelte Bodenwert wird addiert und hiervon werden noch etwaige Mängel und Wertminderungen, die eben womöglich noch kostenintensiv behoben werden müssen, abgezogen. Das ergibt schlussendlich den Ertragswert.
Dieses Verfahren ist äußerst komplex, besonders wenn nicht auf bestehende Rohertragswerte zurückgegriffen werden kann und selbst dann ist es schwierig eine akkurate Prognose zu treffen, wie viel die Immobilie künftig an Ertrag abwerfen wird. Noch eher als bei dem Vergleichswertverfahren beispielsweise ist hier ein spezialisierter, sachverständiger Gutachter von Nöten, um ein zufriedenstellendes Gutachten zu erstellen.
Was sind mögliche Vor- und Nachteile?
Die Vor- und Nachteile dieses Verfahrens richten sich, wie auch bei den anderen Verfahren nach den Verwendungszwecken. Für gewerblich genutzte Immobilien birgt das Ertragswertverfahren den Vorteil, dass im Grunde berechnet wird, wie viel einen die Immobilie langfristig kosten, bzw. eben durch den Ertrag nicht kosten wird. Dies ist für eine Eigentumswohnung für die Eigennutzung, beispielsweise, völlig unnötig.
Ein Nachteil ist, wie bereits angeschnitten, dass der Reinertragswert nicht mit Sicherheit prognostiziert werden kann. Es handelt sich um einen Richtwert, um eine Möglichkeit, denn die wirtschaftliche Lage lässt sich schwerlich vorhersagen. Markt-, Zins-, oder finanzielle Entwicklungen unterliegen der Hand des freien Marktes und können höchstens theoretisch und rechnerisch angenommen werden. Andererseits ist dies in dem Fall auch die Intention.
Für Gewerbetreibende und (künftige) Vermieter ist vor dem Kauf als Information ein Verkehrswert, der auf Grund eines Ertragswertverfahrens ermittelt wurde, fast unabdingbar. Er gibt Auskunft darüber, wie gut oder schlecht die Immobilie ihren Zweck erfüllen wird und wie viel demnach die Liegenschaft wirklich wert ist. Um dies zu gewährleisten, stehen einem (im Idealfall registrierte und zertifizierte) sachverständige Gutachter zur Verfügung. Somit können Sie sich beim Kauf einer ertragsreichen Immobilie die nötige Gewissheit einholen.
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