Immobilienfinanzierung in Niedrigzinsphasen
Seit mehreren Jahren schon meldet die EZB einen historisch niedrigen Leitzins. Seit 2016 liegt er bei sage und schreibe 0,00%. Während die FED ihren Leitzins aktuell (Juni 2018) wieder anhob, sieht es im europäischen Raum so aus, also würde man möglichst lange bei den niedrigen Zinsen bleiben wollen. Anleger und Kreditnehmer kommen in der Niedrigzinsphase seit Jahren besonders günstig davon, Sparer schauen durch die Finger.
Auf dem Immobilienmarkt schlägt das selbstverständlich auch große Wogen. Jeder, der ein Haus bauen oder kaufen möchte und dafür auf einen Kredit zurückgreift, freut sich auf die niedrigen Zinsraten und überlegt sich, wie er diese am besten für sich nutzen kann. Das haben auch wir uns gefragt und verraten Ihnen, wie Sie den besten Zinsdeal bekommen und über die gesamte Laufzeit ausnutzen können.
Niedrigzinsphase – Was versteht man darunter?
Zunächst hilft es zu verstehen, was eine Niedrigzinsphase überhaupt ist, warum sie zustande kommt und was sie bewirkt. Die Zinssätze werden allgemein von den Zentralbanken gesteuert, indem sie ihre Leitzinsen anheben oder senken.
Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank Geld beschaffen können.
Wie die Kreditkonditionen für die Banken selbst sind, entscheidet darüber, welche Konditionen sie an ihre Kunden weitergeben können und wie gewillt die Banken sind, sich Kredite bei der Zentralbank zu beschaffen. Wenn der Leitzins niedrig ist, holen sich die Banken mehr Kredite, können sie günstig an Kunden weitergeben, diese werden kauf- und investitionsfreudiger und die Wirtschaft wird angekurbelt. Außerdem werden durch niedrige Zinsen Staatsschulden gesenkt.
Die Gefahr, die dadurch entsteht, ist dass der Markt mit Krediten und somit ‚realem‘ Geld überschwemmt wird und es zur Inflation kommt. Dann lenkt die EZB wieder ein indem sie die Zinsen erhöht.
Damit ist selbstverständlich nicht der Finanz- und Kreditmarkt erklärt, hinter Inflations- und Preisentwicklungen stehen noch viel komplexere Vorgänge, aber für den einfachen Kreditnehmer ist erstmal diese Grobstruktur entscheidend.
Kreditkosten sind nicht automatisch besonders günstig
Wer sich jetzt Hals über Kopf in den Kredit stürzt, weil der Zinssatz passt, sollte doch noch mal lieber einen Schritt zurücktreten, denn für einen wirklich günstigen Kredit, der keine finanzielle Katastrophe auslöst, sind mehr Parameter entscheidend, als nur der Zinssatz.
Weiters gehört genau geplant, welchen Kreditrahmen und welche monatliche Tilgungsrate man sich leisten kann und wie schnell man den Kredit wohl abbezahlen können wird – also wie lange man die Laufzeit plant. Das und die variable oder fixe Zinsbindung gehören minutiös geplant. Außerdem muss bedacht werden, dass die Bank nicht daran gebunden ist, niedrige Kredite zu vergeben.
Man kann also nicht von vornherein davon ausgehen, von dem niedrigen Leitzins auch wirklich zu profitieren.
Langfristig denken: Bleibt der Zins auch so niedrig?
Eine Kreditentscheidung ist keine Momentaufnahme, oder zumindest keine, die ohne weitreichende Konsequenzen auskäme. Man entscheidet sich für eine Bindung über mehrere Jahre und das bedeutet, das sich während der Kreditlaufzeit einiges ändern kann. So auch der Zinssatz. Auf eine Niedrigzinsphase folgt oft eine Hochzinsphase und so schwanken die Zinsen ständig mal mehr mal weniger auf und ab.
Davon ist auszugehen und damit ist zu rechnen, wenn man den Kredit plant, denn das kann sich mitunter gravierend auf die monatliche Rate auswirken und wenn diese plötzlich in den unerschwinglichen Bereich abdriftet, kann das das Eigentum gefährden.
Niedrigere Zinsen – längere Laufzeit?
Zu Beginn der Laufzeit wird die Tilgungsrate, der Zinssatz und ähnliches festgelegt. Bei einem höheren Zinssatz erhöht sich natürlich auch der Gesamttilgungsbetrag und somit die monatliche Tilgungsrate, wenn diese prozentual errechnet wird. Da die Zinsen allerdings immer vom noch fälligen Kreditbetrag errechnet werden, wird der absolute Zinsbetrag mit jeder Tilgungszahlung gesenkt. Das führt dazu, dass pro Rate der Anteil an reiner Tilgung steigt und der Anteil an Zinsen sinkt und somit die Tilgung beschleunigt wird.
Errechnet man bei einem niedrigeren Zinssatz ebenso die erste Tilgungsrate prozentual vom gesamten fälligen Betrag, kommt man auf eine niedrigere monatliche Rate und braucht somit länger, um den Kredit zurückzuzahlen. Anders verhält es sich selbstverständlich, wenn die monatliche Rate erhöht wird, oder Sondertilgungen durchgeführt werden. Dann ist man selbstverständlich bei niedrigeren Zinsen schneller mit dem Abbezahlen.
Im Endeffekt bleibt alles eine Frage des monatlichen Zahlungsbetrages. Wenn dieser aber prozentual vom (inkl. Zinsen) fälligen Kreditbetrag errechnet wird, bleibt der Monatsbetrag niedrig und somit die Laufzeit lang.
Höhere Tilgungsrate bei Finanzierung der Wohnung
Praktisch kann man den Kredit gegebenenfalls doch schneller abbezahlen, nämlich indem man durch die Niedrigzinsphase die Möglichkeit bekommt, einfach die ursprüngliche monatliche Rate beizubehalten, die bei hohen Zinsen angebracht war. Da man damit statt den Zinsen einen höheren Anteil der Tilgung bezahlt, verringert sich die Laufzeit des Kredits.
Anzudenken ist auch, die Rate einfach auch niedrig zu halten, da man so weniger Risiko eingeht, sollte sich der Zinssatz nach der Bindungsphase doch erhöhen.
Höherer Kreditrahmen dank Niedrigzinsphase?
Manche denken an, den Kreditrahmen zu erhöhen, wenn doch für die Zinsen nicht so viel Budget anfällt. Das mag zwar prinzipiell logisch klingen, ist aber riskant. Nach der Sollzinsbindung kann es nämlich leicht sein, dass die Zinsen wieder steigen und bereits kleine Veränderungen im Zins verursachen sehr viel gravierendere Veränderungen bei den absoluten Zahlen.
Man sollte sich den Finanzrahmen also nicht durch den niedrigen Zins sprengen lassen, nicht zuletzt auch aufgrund dessen, dass Immobilien bei einem niedrigen Leitzins (aufgrund der höheren Nachfrage) ohnehin teurer werden. Da ist man von vornherein schon eher gewillt den Rahmen etwas anzuheben, um sich die ausgewählte Immobilie noch leisten zu können.
Risikofreier bleibt man, wenn man in dem Fall nicht unbedingt nach den Sternen greift.
Variabler oder fester Zinssatz bei niedrigen Zinsen?
Ganz klar: bei niedrigen Zinsen muss ein möglichst fixer Zinssatz her, denn wer weiß, wie lange diese Phase noch andauert. Fixzinsen haben zudem den Vorteil, dass sie besser voraussehbar sind und nicht so viel Risiko bedeuten. Wenn das dann auch noch mit einem eher günstigen Satz bedacht wird – umso besser. Meistens ist es aber so, dass die Bank den Zinssatz doch um einiges anhebt, wenn sie ihn über einen längeren Zeitraum fixieren soll. Schlussendlich wird sich jeder Kreditnehmer selbst überlegen müssen, ob er lieber pokert, also auf ein eventuell prognostiziertes Andauern der Niedrigzinsphase vertraut und einen variablen Zinssatz wählt, oder doch lieber auf der sicheren Fixzinssatzseite bleibt.
Titelbild: © lensw0rld – stock.adobe.com